Evi Evi Lemberger 19. April 2024

Zwei Hektar anbauen und sein Leben verändern

Das Unternehmen Farmgoodies über Gründung, Erfolg und Aussichten

Niederwaldkirchen, 30. September 2017: Günther ist eigentlich IT-ler, Judith stammt aus dem Marketingbereich. Und der Bauernhof war eigentlich für Milchkühe gedacht – 20 um genau zu sein.

Doch das war früher. Heute ist alles anders: Günther ist Bauer und Judith ist Geschäftsführerin von Farmgoodies. Der Bauernhof ist zwar immer noch ein Bauernhof, aber für Feldwirtschaft und ist Produktionsstätte und Mittelpunkt des Unternehmens Farmgoodies.

Farmgoodies ist ein Unternehmen hauptsächlich für Ölsamenproduktion. Leinöl, Mohnöl, Sonnenblumenöl, sogar Hanföl. Bioproduktion und Jungunternehmen im Mühlviertel, einem sanften,hügeligen Gebiet nahe der deutschen Grenze.

An einem sonnigen Herbstvormittag weiht mich Judith zwischen Kinderorganisation und Hanfpflanzenbegutachtung in die Geheimnisse von Farmgoodies ein.

Was war euer Antrieb für das Unternehmen?

Mein Mann hat schon immer gesagt, er möchte in der IT-Branche nicht alt werden. Dann kam sein vierzigster Geburtstag und er meinte, er möchte nicht, dass er seinen Kinder auf die Frage: ‚Papi was hast du heute gemacht?’ sagen müsste ‚Heute habe ich 200 E-Mails geschrieben.’ Lieber würde er sagen ‚Ich habe 2 Hektar angebaut.’ Das war sein Antrieb und das Leben hat es insofern auf der ganzen Linie geändert.

Wie ist Farmgoodies entstanden?

Wir haben vor fünf Jahren angefangen. Wir übernahmen den elterlichen Hof von meinem Mann. Wir hatten sehr viele Visionen und Ideen, jedoch hat der Kick und die Leidenschaft gefehlt. Dann erzählte uns eine befreundete Ölmühle aus der Steiermark, dass es schwierig sei, guten österreichischen Leinsamen zu bekommen. Dann stellten wir fest, dass das Mühlviertel schon immer ein Leinsamenanbaugebiet war. Aufgrund der Leinenproduktion brauchte man Flachs. Der Samen (Leinsamen) des Flachses war damals nur ein Nebenprodukt aus dem man Öl gepresst hat. Mein 85 - jähriger Vater hat mir davon berichtet. Und als die Bekannten von der Ölmühle meinten, da gäbe es Bedarf, beschlossen wir das zu machen.

Wie wurde aus der Idee ein Produkt?

Wir haben recherchiert, haben viel gelesen. Es gibt viel Literatur über Leinsamen. Welche Sorten es gibt usw.. Auch gibt es natürlich Bauern und deren Erfahrungswerte. Und wir haben Kurse gemacht.

Irgendwann haben wir das Saatgut bestellt und es war wunderbar. Es hat so gut funktioniert. Der Leinsamen auf unserem Versuchsfeld blühte so herrlich. Als dann die Ernte näher rückte, ließen wir einen großen Mähdrescher kommen. Er fing an zu ernten und blieb plötzlich stehen. Wir wussten nicht was los war. Die Flachsfasern verwickelten sich beim Mähdreschen und wir mussten dann die Fasern händisch befreien. Es war sehr mühsam. Nach diesem Erlebnis gab es noch ein paar mehr dieser Art. Das ist ganz normal am Anfang. Man lernt halt immer dazu. Heute wissen wir natürlich mit der Ernte besser umzugehen.

Für uns ist dieses Erntegut so kostbar geworden, dass wir etwas Eigenes daraus machen wollten und so hatten wir die Idee unser eigenes Leinöl zu produzieren. Die ersten Fläschchen haben wir am dann am Weihnachtsmarkt verkauft. Die Leute waren total begeistert. Für uns Ansporn genug, um die Ölherstellung und den Verkauf selber zu übernehmen.

Bei Leinsamen ist es wichtig nur alle 5 Jahre die Frucht auf den gleichen Boden zu bauen.

Ihr arbeitet mit vielen Kleinbauern zusammen – warum ist das so?

Um eine gesunde Fruchtfolge aufrechtzuerhalten, müssen wir einen Fruchtplan berücksichtigen. Auch müssen wir die Nachfrage befriedigen können, da es einen Markt gibt. Was wir auch gelernt haben: ein Konsument verzeiht dir viel, aber wenn du nicht liefern kannst geht der Kunde zu einem anderen. Neben der Notwendigkeit war da aber auch die Neugierde – wohin geht’s? Was können wir machen? Wir versuchten es auch mit Raps und Blaumohn. Und ein Freund wollte Hanf anbauen, das kam uns sehr gelegen. So ergab sich die Zusammenarbeit mit anderen Bauern. Und jetzt wird immer mehr klar wie wichtig es ist. Wir sind eine dezentrale Region. Von hier nach Linz sind es 40 Minuten. Wir haben nicht viel Industrie. Auch wollten wir der Situation der Bauern entgegenwirken.

Warum?

In unserer Gegend war es lange Zeit üblich, dass der Bauer etwas anbaut und es anonym an Großabnehmer verkauft. Resultat war nicht nur eine extreme Anonymisierung, sondern auch eine ständige finanzielle Unsicherheit. Abhängig von der Masse bestimmt sich der Preis und das erfährt der Bauer erst bei der Ernte. So ist der Ertrag nicht kalkulierbar. Das war uns ziemlich zuwider. Auch gaben wir somit den Bauern wieder eine gewisse Selbstständigkeit zurück.

Wie macht ihr Werbung?

Wir stellen Qualitätsprodukte her. Diese verdienen eine tolle Verpackung. Deshalb arbeiten wir auch mit einer Werbeagentur zusammen, die uns die Grafiken macht. Aus unseren früheren Berufen nehmen wir natürlich auch einiges an Erfahrung und Know-how mit, was das betrifft. Dank gilt auch der Presse, die an solchen Stories wie der unseren immer interessiert ist. Wir sind sehr aktiv im Social Media Bereich und informieren unsere „Fans“ per Newsletter. Wir sind auch viel auf Märkten unterwegs. Das Gespräch mit den Leuten, das Verkosten der Öle stellt eine unmittelbare Verbindung zwischen uns und den Leuten her. So bekommt unser Produkt ein sympathisches Gesicht und das ist die beste Werbung.

Wie funktioniert euer Verkauf?

Anfangs haben wir uns ein Auto gekauft, gefüllt mit allen Ölen und haben die Geschäfte persönlich beliefert. Was viel zu zeit- und kostenintensiv war. Jetzt verschicken wir alles über die Post, was auch ein Learning war, denn wie versendet man Glasflaschen richtig? Auch lernten wir keine einzelnen Flaschen mehr zu verkaufen, sondern in Packungseinheiten. Man muss planen können und wieviel man produziert, um nicht darauf sitzen zu bleiben.

Wie lange dauert die Produktion?

Das ist von Ölfrucht zu Ölfrucht unterschiedlich. Beim Leinsamen geht der Pressvorgang und das Absitzen des Öls relativ schnell und dauert 2 – 3 Tage. Bei Mohnöl dauert es drei Wochen. Die Zeit für  das Pressen muss ich relativieren, denn wir haben eine Presse die sehr langsam arbeitet, die ganz wenig Rohstoff in der Stunde verprasst, weil die Ölfrucht seine Zeit braucht um sein Öl herzugeben. Ich weiß noch, als wir die die Ölpresse kauften haben uns alle blöd angeschaut, da wir eine wollten, die so langsam und schonend wie möglich presst.

Warum heißt Farmgoodies Farmgoodies?

Wir sehen uns nicht als traditionelle Landwirte und haben nach Worten gesucht, die das beschreiben was wir tun. Das Gute vom Bauern- fiel uns ein. Das haben wir übersetzt, denn wir verstehen uns als moderne Bauern. Der Name Farmgoodies bestätigt sich total. Farmgoodies lässt viele Möglichkeiten für andere Produkte offen. Vor allem weil die Landwirte jetzt auch mit Ideen auf uns zukommen und wir unter diesen Namen auch andere Produkte als nur Öle vermarkten können. Wie zum Beispiel der Senf, den ein Landwirt für uns anbauen wollte. Er fragte, ob wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen könnten. Eine super Idee, denn jetzt gibt es auch Farmgoodies-Senf. Und ich denke, da wird sich noch mehr entwickelt. Es gibt viele Ideen, aber es braucht seine Zeit. Und wir können mit unseren Erfahrungen bereits viel Wissen weitergeben.

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Wie blickst du auf die letzten fünf Jahre zurück?

Es ist eigentlich irre. Wir hatten ja absolut keine Erfahrungen mit Ölkulturen und wir hatten noch viel weniger Ahnung vom Handel und wie der tickt. Markteinführung war der Weihnachtsmarkt, dann haben wir es im Ort angeboten, dann im Nachbarort und dann sind wir von Tür zu Tür gegangen. Als dann ein zwei Hauben Koch unsere Öle für sehr gut empfunden hat war es wie ein kleiner Ritterschlag für uns. Dann haben wir uns hingesetzt und eine Businessplan gemacht. Da kam uns unsere Berufserfahrung und unser wirtschaftliches Denken zugute.

Wo steht ihr momentan?

Seit 2014 ist es unser Hauptberuf. Mein Mann ist aus der Agentur ausgestiegen, um Vollerwerbslandwirt zu werden. Auch Farmgoodies haben wir zu diesem Zeitpunkt aus der Landwirtschaft ausgegliedert und ich habe die Unternehmensführung übernommen. Wir konzentrieren uns auf Bio-Landwirtschaft und Produktentwicklung gemeinsam mit unseren Bauern. Wir haben mittlerweile 7 Sorten Öl, Saaten & Körner und 2 Senfe im Sortiment. Unsere Produkte werden von über 300 Partnern in Österreich vertrieben und wir beschäftigen 3 Mitarbeiter.

Wie hat es euer Leben verändert?

Wir haben schon immer viel gearbeitet. Der Unterschied ist, dass wir nun etwas aus voller Überzeugung und mit viel Leidenschaft machen. Und nicht nur wir sind von unserem Tun begeistert, sondern auch so viele andere Menschen schätzen unsere Arbeit und unsere Erzeugnisse. Und das ist echt ein sehr feines Lob. Auch unsere Kinder leben voll und ganz mit uns und Farmgoodies. Sie erleben hautnah, wie das was wir Essen, wächst und entsteht.

Seid ihr stolz?

Ja doch. Erst vor 2 Wochen haben wir uns mit einem Glas Wein hingesetzt und uns selber gewundert was wir in so kurzer Zeit alles geschafft haben. Die Großeltern haben uns auch immer großartig unterstützt. Sie haben immer nur gesagt, wir sind da und unterstützen euch. Sie haben immer dran geglaubt und uns nicht dreingeredet. Im bäuerlichen Umfeld kann das auch ganz anders laufen, wo man keinen Wandel zulässt. Wir sind schon stolz und vor allem, wenn man wo hinkommt und dann sieht man die eigenen Produkte im Regal stehen. Das lieben auch die Kinder.


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Interview & Fotos: Evi Lemberger

Produktfotos: Ines Häberlein

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Kontakt

farmgoodies gmbh
Am Emerberg 12
4174 Niederwaldkirchen


Essig / Öle Senf / Chutneys / Eingelegtes Getreideprodukte / Nudeln Bei uns im Laden erhältlich

www.farmgoodies.net

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