Ines Ines Häberlein 20. April 2024

Honig, Kürbis, Lavendel & Granit

Innovative Braukunst in der ältesten Brauerei Österreichs.

Gegen den Strom schwimmen, den Kopf hinhalten, etwas Neues riskieren. Ein Braumeister, der über den Kesselrand hinausblickt


Gerade als ich mein Auto auf dem Innenhof der Brauerei abstelle, kommt zaghaft die herbstliche Sonne hinter den tristen, grauen Wolken hervor und taucht die umliegenden Felder und Wiesen in einen nebligen Dunst. Das alte Gemäuer mit seinem beeindruckenden, geschnitzten Holztor ergeben ein romantisches Bild und lassen meine Neugier wachsen. Hier treffe ich Peter Krammer. Biersommelier und Braumeister.

Er begrüßt mich freundlich und wenig später sitzen wir in der gemütlichen Wirtsstube der Brauerei und trinken Kaffee. Mit einem leicht schelmischen Lächeln auf den Lippen sitzt er mir gegenüber und wirkt wie jemand, der weiß, was er tut und das auch gerne tut.

Erkundigt man sich über die Brauerei Hofstetten stösst man schnell auf den Titel „älteste Brauerei Österreichs“. Was steckt dahinter?

Genau. Das Haus Hofstetten gibt es seit 1229 und war damals eine Raststätte an einem Kreuzungspunkt der Via Regia, der Salzstrasse, vom Donautal rauf Richtung Böhmen. Irgendwann in den Neunzigern ist die Brauerei Hofstetten im Guinness-Buch der Rekorde als älteste Brauerei Österreichs aufgetaucht und wir haben uns daraufhin natürlich etwas erkundigt. Es wird angenommen, dass so der Grundstein für die Brauerei gelegt wurde, denn zu dieser Zeit war es üblich, in den Gaststätten das Bier selbst zu brauen, das wurde von den Frauen in der Küche erledigt und war, grob gesagt, soetwas wie Suppe kochen.

Das mit dem Guinness-Buch war natürlich super fürs Marketing. Aber für uns in der Brauerei wollen wir das ein wenig trennen und sagen deshalb: Haus Hofstetten seit 1229 und Hofstettner Bier seit 1449. 1847 hatte dann schließlich mein Ururgroßvater die Brauerei erworben und ich betreibe die Brauerei jetzt in der fünften Generation.

War es von Anfang an klar, dass du Braumeister lernst und den Betrieb übernehmen wirst?

Für mich war das überhaupt nicht klar, dass ich hier die Brauerei übernehmen würde. Mit Ach und Krach hatte ich die Handelsschule absolviert. Denn mit meinen 16 Jahren damals hatte ich natürlich andere Dinge Kopf als Schule. Die hat mich überhaupt nicht interessiert. Mein Vater schickte mich dann in die Brauerlehre, denn der hatte schon Angst, dass aus dem Buben nichts Gescheites mehr wird. (lacht)

In der Lehre habe ich dann aber schnell gemerkt, dass mir das Arbeiten in den Brauereien Spaß macht. Ich habe ja früher schon bei uns in den Ferien gearbeitet und hatte dementsprechend gute Vorkenntnisse. Ich konnte etwas lernen, was ich praktisch anwenden konnte, wo ich einen Sinn darin gesehen habe und das hat mir dann Spaß gemacht. Und siehe da, die Noten haben dann auch gestimmt.

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Auf welchem Stand war die Brauerei als du nach deiner Ausbildung zurückgekommen bist?

Es lief für uns wirtschaftlich sehr schlecht. Wir produzierten 5 1/2 tausend Hektoliter im Jahr und sind dann auf 4 1⁄2 gefallen. Das war 1997 ungefähr. Damals brauten wir das klassische Märzen, Spezialbier und der Vater hatte dann noch ein Pils gemacht. Ende der 80er ist dann noch das unfiltrierte Bier dazugekommen, das Kübelbier, wobei das ja keine eigene Sorte ist, sondern einfach nur einen Arbeitsschritt früher abgefüllt wird. Also kann man sagen es sind zu dieser Zeit drei Sorten Bier gebraut worden und der Weihnachtsbock. Eine ganz klassische kleine Brauerei. Mein Vater musste den Betrieb durch eine schwierige Zeit führen. Das war als die sogenannten Fernsehbiere groß geworden sind. Viele kleine Brauereien sind aufgekauft und deren Marken eingestampft worden. Da ging es dann einfach um das pure Überleben. Mein Vater hat sich gegen diese Übermacht, die da aufgekommen ist, gewehrt. Mit Erfolg.

1995 bin ich dann als fertiger Braumeister nach Hause gekommen und habe gewusst, dass wir jetzt massiv etwas verändern müssen, sonst wird das wirtschaftlich nicht mehr lange funktionieren. Also haben wir überlegt, was man tun könnte. Und zum Glück bin ich ja schon immer einer gewesen, der gerne mal gegen den Strom schwimmt und mal was Neues ausprobiert. Das hat dann auch funktioniert.


Wie hat sich der Betrieb entwickelt nachdem du in die Brauerei zurückgekehrt bist?

Händeringend versuchten wir den Betrieb am Leben zu erhalten und es entstand die Idee, Exkursionen und Bierreisen zu organisieren. Wir haben die Menschen direkt zu uns in die Brauerei gebracht und der Rampenverkauf hat sich daraufhin irrsinnig toll entwickelt. Mittlerweile verkaufen wir rund ein Drittel direkt an den Endverbraucher. Tatsächlich hat diese Idee der Brauerei das Leben gerettet.

Mit dem Kürbisbier hat es dann in den Neunzigern seinen Anfang genommen. Das war lange bevor bei uns der Craft Beer Trend einsetzte. Unser Fleischhauer hatte für das jährliche Kürbisfest Krainer mit Kürbiskernen gemacht und eines Abends saßen wir bei Ihm zur Verkostung beisammen. Es war eine lustige Runde und aus einem Scherz heraus fiel dann die Bemerkung ich solle zu den Würstl das passende Kürbisbier brauen. Ich überlegte kurz: Kürbis hat Stärke. Stärke gibt Zucker. Eh klar, das probieren wir aus. Mit 4000 Liter sind wir dann auf das Fest gefahren und haben an nur einem Tag tatsächlich die Hälfte verkauft. 2000 Liter. Damit hatten wir nicht gerechnet. Es war ein voller Erfolg.

Nach dem Kürbisbier kam dann das Honigbier. Dabei entstand beispielsweise ein Honig-Bock mit Honig aus einem Moorwald. Oder eines mit Lindenblütenhonig hatten wir auch schon. Natürlich haben wir solche Sorten in kleineren Mengen gebraut, trotzdem es hatte den Effekt, dass die Leute merkten, es tut sich was bei uns. So zog eine verrückte Sorte die andere einfach mit. Jetzt gerade haben wir für das nächste Projekt 300kg Lavendel gekauft.

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Inwiefern spielt die Craft Beer Bewegung für eure Brauerei eine Rolle?

Ich finde den Trend einfach genial. Er zeigt uns, wie vielfältig Bier sein kann. Früher sollte ein Bier hell oder dunkel sein, kalt sein und vor allem zischen. Wenn man sich aber mit den Rohstoffen dahinter auseinandersetzt, erkennt man das die Vielfalt eine viel größere ist, als man zunächst denken würde. Die Craft Beer Bewegung hat aufgezeigt, wie extrem unterschiedlich allein der Bestandteil Hopfen sein kann. In der klassischen Bierindustrie ist der Hopfen dazu verkommen, lediglich eine Grundbittere zu liefern. Da hat kein Mensch über Aromen geredet. In den Neunzigern sind die Biere immer weniger bitter geworden, um sie gefälliger werden zu lassen. Sie sollten möglichst jedem schmecken. Für den Konsumenten ist Bier trinken deswegen fad geworden. Ich höre oft, dass viele in dieser Zeit zum Wein übergegangen sind, einfach weil der geschmacklich spannender war.

Stellt man diesen Leuten aber ein Bier hin, das nach Zitrus oder Johannisbeere schmeckt und riecht, weil der Hopfen so viele Aromen liefert, sind die hellauf begeistert und das Interesse ist wieder geweckt. Wobei ich sagen muss, es will kein Mensch das normale Bier abstellen. Kontinuierlich ein richtig gutes helles Bier zu brauen ist für eine Brauerei eine Herausforderung. Gerade im deutschsprachigen Raum ist das klassische Helle auf einem irrsinnig hohen Niveau. Schade finde ich, dass es in den Supermärkten so oft preislich verrissen wird, weil sich das natürlich auch auf die Qualität auswirkt und die Preisschere auseinandertreibt. Aber da steuert die Craft Beer Bewegung dagegen. Für uns als kleine Brauerei ist das wahnsinnig wichtig.

In eurem Sortiment habt ihr auch einen Granit Bock. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Das ist ein ganz besonderes Bier. Es gärt in unseren 120 Jahre alten Granittrögen die im Haus früher zum Sauerkraut machen verwendet wurden. Um dann den ganz besonderen Geschmack zu erhalten, werden Granitbrocken auf 600 Grad erhitzt und dann langsam zum Bier in die Tröge getaucht. Dabei karamellisiert die Stärke an den heißen Steinen. Das ergibt dann einen dunklen Bock mit schönen Karamell- und Röstaromen. Dann verschwindet der Bock für sechs Monate im sieben Meter tiefen Keller um auszureifen. Der älteste Trog stammt aus dem Braugasthof in St. Martin und trägt ein Datum von 1641.

So 2008 ungefähr wurde ein Händler aus den USA, der schon viel mit Honigwein gemacht hatte, auf uns aufmerksam und an einem schönen Samstag saßen wir dann beisammen und haben stundenlang unser Bier verkostet. Schließlich sind wir beim Granit Bock hängengeblieben und er hat uns tatsächlich sofort die Hälfte des kompletten Suds abgekauft. Das hatte fur uns naturlich einen tollen Effekt. Bier, das nach Amerika exportiert wird, das wollen die Leute naturlich probieren.

Bio und Regional. Wie wichtig ist ihnen das?

Als mir mein Vater damals die Landwirtschaft übergeben hat, war das ein Buch mit sieben Siegel für mich. Man riet mir zur Biolandwirtschaft und in dieser Hinsicht habe ich mich auch weitergebildet und schnell begriffen, dass es um viel mehr geht als nur um das Vermeiden von Pflanzenschutzmitteln. Wir haben es schließlich selbst in der Hand, unseren nachfolgenden Generationen eine saubere, intakte Umwelt zu hinterlassen.

2003 hatten wir Probleme mit den Nitratwerten in unserem Brunnenwasser. Ich wusste, würden wir mit dem Kunstdünger und dem ganzen Mist aufhören, hätten wir damit bald kein Problem mehr. Für meinen Vater war das schwieriger, da war ein Generationskonflikt vorprogrammiert. Unser Produkt besteht ja zu 85% aus Wasser. Müssten wir dieses Wasser aus dem öffentlichen Netz kaufen, würde das die Brauerei umbringen. Als dann mein Vater mal für drei Wochen wegfuhr, bin ich sofort zu den Behörden gefahren und habe ein Wasserschutzgebiet anordnen lassen. Der Beamte dort war total baff. Sowas war noch nie vorgekommen. Nach kurzer Zeit lag dann der Bescheid auf dem Tisch: 40.000m2 Wasserschutzgebiet, alles eigener Grund.

Mein Vater ist dann noch einige Zeit aus Protest raus und hat versucht mit der Hand das Unkraut rauszureissen. Aber irgendwann hat er das dann auch sein lassen. Unser Wasser konnte sich daraufhin erholen und jetzt haben wir Nitratwerte weit unter dem gesetzlichen Schwellenwert. Es ist eben nicht egal, was man auf den landwirtschaftlichen Flächen tut. Wir haben es selbst in der Hand, endlich etwas zu ändern, um unseren nachfolgenden Generationen eine saubere Umwelt zu hinterlassen.


Welche Geschichte steckt hinter ihrem Mühlviertler Bio-Bier?

Für das Mühlviertler Bio-Bier brauchten wir Bio-Gerste aus der Region, aber der Anbau ist anspruchsvoll und für die Bauern, auf Grund des niedrigen Marktpreises, nicht sehr interessant. Wir beschlossen es einfach selbst auszuprobieren und mit Hilfe von Bio-Pionieren, die schon in den Siebzigern den biologischen Gedanken weitergedacht haben, hat das dann auch geklappt. So zog das seine Kreise und naheliegende Bauern haben gesehen, Bio-Gerste im Mühlviertel anbauen ist nicht unmöglich. Mit einem fairen, vernünftigen Preis konnten wir schließlich einige Landwirte für uns gewinnen und damit war zumindest diese Hürde geschafft.

Zusätzliche Unterstützung bekamen wir dann auch von der Bioschule Schlägl, die tatsächlich einmal im Jahr zu unseren Landwirten rausfährt und sie vor Ort auf dem Feld berät. Über Jahrzehnte ist uns Menschen so viel Wissen verloren gegangen, was wir jetzt wieder mühselig lernen müssen. (Für mich war das dann der Einstieg. Auf einmal wußte ich ganz genau, wo es hingehen soll. )

Tja, dann drohte das Projekt allerdings fast an der Lagerung zu scheitern. Endlich hatten wir die Bauern und ihre Gerste, aber hatten keine Ahnung wohin damit. 40 Tonnen Gerste, die wir irgendwo unterbringen mussten. Es fehlte schlichtweg an räumlicher Kapazität. Eine Halle anzumieten, hätte unseren finanziellen Rahmen gesprengt. Da taucht auf einmal der Biobäcker Mauracher auf und stellt uns einen Teil seiner Lagerräume zur Verfügung. Problem gelöst. (lacht)

Natürlich musste unsere Vision auch irgendwie finanziert werden und da hat uns wieder der Rampenverkauf irrsinnig geholfen. Beim Rampenverkauf ist schließlich der Kontakt zum Kunden da, man kann im direkten Gespräch argumentieren und sagen: Schau, der Bauer bekommt einen guten Preis für eine Tonne Bio Gerste, weil wir wollen, dass sich das für ihn rentiert. Und deswegen kostet die Kiste Bier halt einen Euro mehr. Die Leute verstehen das, sie sind gerne bereit den Preis zu zahlen und die Bauern sind natürlich auch stolz, wenn sie im Wirtshaus sitzen und ihr Bier trinken können. Bier aus der Gerste die sie selbst angebaut und geerntet haben. Manchmal braucht es vielleicht gar keine besonderen Zertifikate. Beim stolzen Bauern im Wirtshaus und dem verantwortungsbewussten Kunden schließt sich dann der Kreis. Und jeder ist zufrieden.


DREIMALIG-Tipp: "Biergenuss mal anders"

Schon probiert? Leckeres Biergelee ist hervorragend geeignet

  • als Brotaufstrich
  • als Beilage zu kalten Brotzeiten
  • zum Abschmecken von Saucen
  • als Beilage zu reifem Käse

Erhältlich im DREIMALIG im Europahaus Freyung



Interview & Fotos: Ines Häberlein

Dreimalig-Tipp: Verena Windorfer-Bogner

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