Evi Evi Lemberger 28. März 2024

Manchmal ist es eine Hassliebe

Die Nudelmanufaktur Englfinger Hof über Ihre Nudelproduktion

Englfing, 19.05.2018: Der Hof liegt hinter eine Biegung, in einem kleinen Dorf, im Bayerischen Wald. Er ist kaum sichtbar von der Hauptstraße. Ein altes Bauernhaus mit Vorgarten und Scheune. Lada Brejchova und Mario Gracin begrüßen mich, wischen meine Verspätung und meine Verärgerung über den Regen und den Stau mit einem Lächeln weg.

Und wie am Anfang, so auch während des ganzen Interviews, verbinden Sie Informationen über die Nudelmanufaktur kunstvoll mit Sarkasmus und viel Witz und lassen keine guten Blatt - an nichts und niemanden- immer mit einem zwinkernden Auge.

Lada Brejchova vor allem und Mario Gracia sind die Besitzer der Nudelmanufaktur Englfinger Hof und so gekonnt humorvoll und leicht sie sich durch das Interview schlängeln, so selbstverständlich erscheinen ihre nicht mehr zu zählenden Sorten an Nudeln, die auf den zweiten Blick mit Sorten wie Hartweizengriesnudeln oder Schokonudeln ungewöhnlich sind. Die Idee dahinter ist einfach: lokal, nachhaltig, qualitativ hochwertig und einfach lecker. Und das machen sie ziemlich erfolgreich und helfen nebenbei nicht nur sich, sondern vielen Hühnerbesitzer.

In einem Interview erklärt Lada das Prinzip Nudelmanufaktur Englfinger Hof und was eine gute Nudel ausmacht.

Kannst du mir von dir und deinem Mann erzählen?

Ich komme ursprünglich aus der Tschechischen Republik, bin aber in Kanada aufgewachsen, habe also mit der Tschechischen Republik zur Zeit nichts mehr zu tun. Mein Mann ist in München geboren, hat aber Wurzeln in Kroatien. Wir wohnten beide in München und das Gebäude in dem wir jetzt leben haben wir vor 10 Jahren gekauft. Wir haben ewig gesucht, zuerst in München, aber da war alles zu teuer. Und dass wir einen Hof kauften hat sich so ergeben. Trotzdem arbeite ich immer noch als Zahntechnikerin in München und mein Mann arbeitet noch bei Linde in München. Die Nudelproduktion machen wir so nebenbei. Ach und wir haben noch zwei Kinder.

Ich bin total fasziniert wie Sie das managen - Du hast eine Familie, einen Beruf in München und produzieren Nudeln. Wie sieht bei dir eine normale Woche aus?

Es geht natürlich nur, weil mein Mann mitspielt. Und es geht auch nur, weil wir beide Berufe haben, die wir zum Teil von zu Hause ausüben können. So arbeiten wir in München und machen Homeoffice. Und wir bekommen das nur hin, weil wir eine 7 Tage Woche haben und unsere Kinder unter der Woche bis 4 Uhr im Kindergarten sind. Wenn die Kinder zu Hause sind, muss einer sich um die Kinder kümmern. Das muss sehr gut koordiniert sein. Wir würden es aber nicht unbedingt empfehlen, weil es schon schwierig ist.

Wie seit ihr auf die Idee gekommen?

Wir hatten schon seit Anfang an unsere Tierhaltung. Auch hatten wir Hühner. Und wir wollten die Eier verarbeiten und deswegen überlegte ich mir Nudeln zu produzieren. Das war ein Grund. Ein Weiterer war, dass wir angefangen haben mit anderen Hühnerbesitzern zu sprechen. Diese erzählten uns, dass sie, wenn sie keine perfekten Eier – also Eier, die schief und krumm sind, nicht verkaufen können und somit kein Geld verdienen. Meine Überlegung war, wie man mit solchen Eiern Geld verdienen könnte. Und für die Nudeln ist es egal wie groß die Eier sind. So hatten wir die Überlegung die Verarbeitung für Andere zu übernehmen und aus deren Eier Nudel zu machen. So bekommen die Hühnerbesitzer durch mich für ihre Eier noch einen vernünftigen Preis. Das war vor 4 Jahren. Die ersten zwei Jahre gingen es sehr langsam voran und wir haben nur ab Hof verkauft. Aber so wie es heute ist war es nicht geplant.

Wie seit ihr auf die Nudelproduktion gekommen - warum habt ihr nicht- zum Beispiel- einfach Pfannkuchen gemacht?

Lustig, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich wollte jedoch etwas im Bereich der Weiterverarbeitung produzieren. Und wir hatten die Räumlichkeiten. Da war zum Beispiel die Gaststätte, die wir nicht genutzt haben. Diese Räume konnten gut für eine Produktion dieser Art genutzt werden.

Und warum Nudeln und nicht etwas Anderes?

Es hat sich einfach so ergeben. Wir hatten auch Fleisch, aber ich persönlich möchte keine Tiere töten.

Wie war der Anfang?

Bei der Nudelproduktion muss man wissen, dass man ein Lebensmittelhersteller ist, was bedeutet, dass man sich gleich selbstständig machen muss. Außerdem mussten wir sofort viele Regulierungen erfüllen, um Nudeln verkaufen zu können. Wir bekamen sehr gutes Feedback von den Behörden und sie waren zufrieden mit uns. Deswegen hatten wir auch keine Angst vor dem was auf uns zukommen könnte.

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Wie ist es weitergegangen?

2014 war ab Hofverkauf. Nur ein bisschen. Ich habe Rezepte getestet und meine Kunden waren meine Versuchskaninchen. Die haben gesagt was ihnen gefällt. Das ist schon wichtig, vor allem bei den Geschmacksnudeln. Auch ist jeder Geschmack sehr individuell. Deswegen muss man viele Menschen befragen. Ende 2014 ist es auch noch langsam gelaufen. Erst 2015 waren wir auf eine paar Märkte vertreten. 2016 wurde ich zum zweiten Mal schwanger und weil ich nicht wusste wie die Schwangerschaft verläuft habe ich erstmal keine Kunden dazu genommen.

Wie läuft es?

Ich muss sagen, alle Abnehmer sind wieder zu uns gekommen und bis jetzt ist es ein Geschäft, das auf Mund zu Mund Propaganda aufbaut. Und das läuft sehr gut. Wir haben jetzt auch eine EU Zertifizierung und dürfen somit in einem Umkreis von mehr als 100 km verkaufen.

Es ist spannend: Wie viele andere die ich interviewt haben, kommst du auch aus einem artfremdem Bereich- Hilft dir die Tatsache, dass du Zahntechniker bist bei der Produktion von Nudeln?

Ich glaube nicht wirklich. Ich wollte schon immer perfekt sein und das hat mich wahrscheinlich zu einem guten Zahntechniker gemacht und das hat wahrscheinlich auch dazu geführt, dass ich sehr darauf achte, dass bei meinem Nudeln alles perfekt ist.

Woher hast du dein Wissen - You tube?

You tube eigentlich nicht. Wahrscheinlich aus dem Internet, aber die Rezepturen habe ich aus Rezeptbücher und dann weiterentwickelt. Dann stellte sich auch die Frage wie trocknen ohne Trockenofen funktioniert. Das ist Wissen, das man sich so anliest und dann liest man auch zwischen den Zeilen und man fragt sich warum sagt er das so und so? Bärlauchnudeln und andere Geschmacksrichtungen hat sich mit der Zeit weiterentwickelt. Die kurzen Spagetti, oder auch Auflaufnudeln von mir genannt, zum Beispiel kennt niemand, da habe ich wirklich damals Italienische Herstellerseiten aufgerufen, die wahrscheinlich auf Englisch waren und rausgelesen, dass die Spaghetti kurz die meistgekaufteste Nudeln in Italien ist. Das war mir nicht bekannt. Auch bin ich immer am weiterspinnen und stellt sich Fragen, wie was kann ich sonst mit einer Ausstattung die ich jetzt schon habe mache. Und dann denkt man sich was kann man der Welt noch bieten bzw. neu machen. Und mit den Spagetti kurz kommen manche super zurecht manche nicht. Und es gibt welche, die kaufen das immer wieder.

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Wann machen Sie die Nudeln?

Meistens gibt es einen Tag am Wochenende an dem ich arbeite oder auch an Feiertagen. Auch muss ich mich immer entscheiden was ich mache- mache ich heute meine Zahntechnik oder meine Nudeln… ich muss immer organisieren, da die Nudeln nicht nur produziert werden müssen, sondern auch getrocknet und verpackt. Auch füllen wir die Nudeln immer noch per Hand ab. Man kann uns also nicht mit einem großen Betrieb vergleichen, alles wird manuell gemacht und so müssen wir es selber verpacken.

Wie viele verschiedene Nudeln haben Sie?

Ich weiß nicht wie viele Produkte ich habe. Ich denke, im Vergleich zu anderen Nudelherstellern, ist es einfach gehalten. Wir haben zum Beispiel Nudeln aus dem klassischen Hartweizen, der in Italien üblich ist. Den bekommen wir auch aus Italien, deren Qualität unschlagbar ist und es niemanden im Bayerischen Wald gibt der Gries herstellt. Es ist eine Kunst aus Getreidegries Nudeln zu machen. Neben den Griesnudeln haben wir auch unsere Geschmacksnudeln. Und natürlich die Dinkelnudeln, die aus 100 % Dinkelgries sind.

Warum ist es schwierig Gries zu machen?

Gries ist der Teil an einem Weizen der in der Spitze ist. Und das ist ein Problem für eine Mühle, weil er beim Mahlen einen zusätzlichen Durchgang benötigt. Auch braucht man für hundert Kilo Gries eine Lkw Ladung Hartweizen.

Wie kommt man denn darauf Schokonudeln herzustellen?

Eigentlich ist das nichts Neues. Ich wollte etwas Süßes machen und etwas machen, dass etwas anders ist. Auch verträgt es sich sehr gut mit Rehbraten. Wir haben übrigens Leute die nur wegen den Schokonudeln zu uns kommen.

Auch haben Sie Nudeln, die in Kollaboration mit anderen Herstellern entstanden sind. Können Sie mir hierzu etwas erzählen?

Die Amore Mio Kräuternudeln sind mit Frau Stefan von Sonnengarten zusammen produziert worden, die Kräutermischung macht Frau Maria Stefan selber. Und dann gibt es eine Kollaboration mit einer Familie. Der Mann hat sich bei uns gemeldet und hat erwähnt, dass er Buchweizen hat. Bei diesem entsteht immer ein Nebenprodukt in Form von einem Mehl. Das bekommt er zurück und dann haben wir gesagt, vielleicht könnten wir das Nebenprodukt auch zu Nudeln verarbeiten und so kam es zu unseren Lieblingsnudeln, den Bauchweizennudeln mit Ei.

Das sind Ihre Lieblingsnudeln?

Ja, aber das kann man so nicht sagen. Bei den Geschmacksnudeln finde ich die Bärlauchspagetti am besten. Für die Kinder sind die Fusillis toll.

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Hat die Herstellung von Anfang an funktioniert?

Natürlich hat es nicht von Anfang an funktioniert. Auch ist es nicht so einfach. Man kauft sich eine Maschine kauft und es läuft gleich - das denke sich viele Leute. Es ist leider nicht so. Ein Problem sind die Eier. Man glaubt gar nicht wie unterschiedlich Eier sind und ich bekomme sehr viele verschiedene Eier von den unterschiedlichen Bauern. Dinkel ist auch eine Geschichte für sich, weil es für uns frisch vorbereitet wird. Wenn wir Dinkel bestellen ist er innerhalb einer Woche bei uns. Aber, da es individuell für uns gemacht wird muss man sich immer anpassen und testen. Am Anfang dauerte diese Testphase. Mittlerweile läuft es schneller. Ach und was ich auch gelernt habe: Mit Wärme kann man keine Nudeln produzieren. Auch haben wir am Anfang Plastiktüten benutzt... weil es keine Papiertüten gab bzw. diese in nur bestimmten Größen zur Verfügung standen. Plastik bekommt man in jeder Größe und ist billig. Um Papier zu bekommen mussten wir richtig viel recherchieren, bis wir die richtigen Tüten bekommen haben, die auch Sichtfenster haben. Nur für die Bandnudeln haben wir leider noch keine Papiertüten in der passenden Größe gefunden.

Welche Wünsche bzw. Ziele habt ihr für das Geschäft?

Dass es so weiterläuft wie es läuft. Wir würden gerne unsere Vermarktung nach Tschechien ausweiten. Das haben wir bis dato noch nicht gemacht aufgrund der fehlenden EU Zertifizierung.

Hättest du erwartet, dass es so kommt als ihr damit angefangen habt?

Gar nicht. Ich war und bin beruflich sehr zufrieden mit meinem Beruf in München. Die Nudelproduktion war am Anfang eine Idee, die sich nur auf die Verarbeitung und die Nutzung von nicht nutzbaren Eiern konzentrierte. Der Rest hat sich dann entwickelt. Am Anfang brachten die anderen Hühnerbesitzer wenig Eier und jetzt bringen sie viel zu Viele. Und wirklich - alles ist nur durch Mund zu Mund Propaganda entstanden und ich denke das geht noch eine Weile so. Wir kümmern uns nicht um Werbung, vor allem da wir eh schon ausgebucht sind. Manchmal ist die Nudelproduktion eine Hassliebe. Wir machen es sehr, sehr gerne, aber natürlich haben wir dadurch weniger Zeit für uns und unsere Familie. Das zu vereinen und die richtigen Prioritäten zu setzen ist eine Kunst.


Interview & Fotos: Evi Lemberger

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