Die Woidbrennerei über das Brennrecht, das Zollamt und die Liebe zu ungewöhnlichen Namen.
Sonndorf, 10.02.2018: Eigentlich hätte ich es vorher schon ahnen können. Woidsiederei und Woidbrennerei. So unähnlich sind sich die Namen gar nicht. Dennoch war ich überrascht, als Michael Wühr der Besitzer der Woidsiederei, den ich noch ein Woche vorher interviewt hatte, mich durch die Fensterscheiben meines Autos anlacht, als ich verzweifelt versuche den Besitzer der Woidbrennerei Gunther Kerschbaum am Telefon zu erreichen, denn dort wo mein Navi mich hinbrachte war kein Gunther Kerschbaum und keine Brennerei. Einzig allein Michael Wühr, der mich in die Holzhütte hinter dem Haus führt, wo Michael und Gunther schon eifrig am Vorbereiten des Brennvorganges sind.
Michael Wühr ist der Schwiergersohn von Gunther Kerschbaum und Gunther Kerschbaum ist mit seinem Sohn Michael Besitzer der Woidbrennerei. Während des Destilierierens, Abkühlens und Testens führen die Besitzer mich in die Wunder des Schnappsbrennens ein.
Wer seid ihr?
Gunther (Vater): Wir sind die Familie Kerschbaum. Ich bin der Gunther und das ist mein Sohn Michael. Ich bin hauptberuflich Sicherheitskraft und Michael ist Koch im Wellness- Hotel. Das passt ganz gut zum Schnapsbrennen, weil beim Brennen ist geschmackliche Kreativität genauso wichtig wie beim Kochen.
Wie kommt man dazu Schnaps zu brennen?
G: Wir hatten schon immer viel Obst. Und da mich das Schnapsbrennen schon immer interessierte, versuchten wir ein Brennrecht zu bekommen. Das war 2009. Das ist relativ schnell gegangen, hat aber dann doch ein Jahr gedauert.
Schnell gegangen und dann doch ein Jahr - wie passt das zusammen?
G: Die Verwaltungsvorgänge sind relativ aufwendig. Als ich anrief und mich erkundigte, meinte der Herr am Telefon schon, dass 80 Prozent von den Anrufern sich nicht nochmal melden würden, da der bürokratische Aufwand so groß sei. Ich meinte nur, dass ich bei den anderen 20 Prozent dabei sei. Und ja, wir haben es relativ hartnäckig und gründlich angepackt.
Wie bekommt man ein Brennrecht?
G: Man muss es beim Zoll beantragen und dort wird entschieden wie hoch die Brennereidichte in der Gegend ist. Im bayerischen Wald ist sie nicht sehr hoch, deshalb hatten wir Glück und bekamen die erforderliche Lizenz. Auch musst du Kenntnisse nachweisen. Die habe ich in Österreich erworben. Dann musst du einen Obstbestand haben und musst nachweisen, dass ein gewisser Prozentanteil nicht als Tafelobst verkaufsfähig ist. Das ist im bayerischen Wald nicht schwierig. Und dann natürlich musst du steuerliche Zuverlässigkeit aufweisen.
Wie ging es weiter?
G: Dann brauchst du natürlich ein passendes Gebäude, das eine Tür und ein Fenster nach außen hat. Klingt selbsterklärend, aber das ist eine der Grundvoraussetzung. Jetzt musste nur noch eine Brennanlage her! Wir haben die Anlage von einem 80-jährigen Mann gekauft, der Wert daraufgelegt hat, wer es kauft und dass dieser sie tatsächlich auch benutzt. Der hat sich dann auch drei Tage Zeit genommen und mich eingewiesen.
Wie funktioniert das Schnapsbrennen?
G: Des Wichtigste ist die Maische im Fass. Die ist entscheidend für die Qualität.
Was ist eine Maische?
G: Eine Maische ist gärendes Obst und Früchte.
Wie macht man Maische?
M: Das Obst wird möglichst reif geerntet. Wir wollen Obst nicht zu früh ernten, denn der Zuckergehalt ist sehr wichtig. So soll es möglichst übersüß sein. Wenn man sagt: Oh, das ist mir zu süß, dann ist es für uns genau richtig. Dann wird das Obst gereinigt, die faulen Bestandteile entfernt, zerkleinert und mit Hefe vergoren. Die Gärzeit dauert bei 15- 20 °C ungefähr zwei Monate. Je nachdem ob es im Herbst kälter oder wärmer ist kann es schneller gären oder auch mal etwas länger dauern. Wichtig ist darauf zu achten, dass die Maische keinen Frost abbekommt. Temperaturen um die 16 Grad wären super, aber generell ist es besser kälter als wärmer. Diese Maische haben wir am 1.11. angesetzt um sie jetzt im Februar zu brennen.
Warum wurde die Maisch erst im November angesetzt?
G: Letztes Jahr war kein gutes Obstjahr. Den späten Frost im Mai überlebten viele Blüten nicht, bei einigen späten Sorten hat die Blüte erst später eingesetzt dadurch und auch durch den eher kühlen Spätsommer, in dem das Obst normal ausreift, hat sich die Ernte nach hinten verschoben. Der ein oder andere Apfel hätte schon noch ein zwei sonnige Tage gebraucht um richtig gut zu werden.
Wie ging es weiter?
G: Wenn die Frucht fertig ausgegoren ist, machen wir eine Brennanmeldung beim Zoll. Da geben wir an, welches Obst und wie viel Maische wir wann brennen wollen. Es gibt im Brennwesen zwei wichtige Dokumente. Das eine ist das Brennbuch und das andere ist das Befundbuch. Im Befundbuch sind alle Grundlagen der Brennerei aufgeschrieben wie beispielsweise der Zustand der Brennerei. Im Brennbuch, wird dokumentiert was wir genau produzieren, man sieht die Eintragung in welcher Qualität und um welche Uhrzeit wir brannten und was das Ergebnis daraus ist. Wenn wir eine Brenngenehmigung bekommen, kommt auch ein Steuerbescheid und mit Eingang dessen dürfen wir brennen. Das hat eine Vorlaufzeit von 14 Tagen.
Gab es schon Probleme?
G: Mei was sind Probleme? Wenn du Fehler machst... Wie zum Beispiel letztes Mal, als ich vergessen habe in die Anmeldung Äpfel reinzuschreiben und dann habe ich eine Ablehnung bekommen. Manchmal bekommt man auch eine Ablehnung, wenn man es nicht rechtzeitig einreicht. 6 oder 7 Tage muss man da vorher mindestens einreichen. Aber wenn wir das haben können wir brennen.
Wie funktioniert der Brennvorgang?
M: Beim Brennprozess gibt es drei Abschnitte den Vor- den Mittel- und den Nachlauf. Am wichtigsten ist der Mittellauf, das Herzstück eines jeden Brandes. Wenn die Maische vergoren ist kommt sie in die Brennblase. Diese hat einen doppelwandigen Boden der mit einer Wasserschicht gefüllt ist, diese gibt die Wärme auf den Kessel weiter. Natürlich - wie soll es bei uns im bayrischen Wald auch anders sein - wird unsere Anlage mit Holz befeuert. Mit steigender Temperatur verdampft der Alkohol aus der Maische, steigt in den Kopf der Anlage auf und wird dann in einem Kühler wieder in Flüssigkeit umgewandelt. Dieser Vorgang findet in einem Durchlauf drei Mal statt. Das ist das schnelle Einmaleins des Brennens. Das Destillieren heißt der Prozess, in dem das Wassergemisch verdampft und dann wieder gekühlt und flüssig wird.
Warum wird das Gemisch drei Mal destilliert?
M: Um den Geschmack zu intensivieren. Beim ersten Mal ist der Geschmack noch scharf, wird aber beim 2 und 3 Abtrieb immer milder. Beim vierten Mal beginnt der Geschmack sich zu verflüchtigen.
Wie war der Weg der euch zu dem brachte wo ihr jetzt seid...?
M: Am Anfang hatten wir die Hütte. Die war vorher schon da und hat sehr viele verschiedene Stadien durchgemacht. Zuerst war es ein Hühnerstall, dann ein Schafstall. Danach war es eine Holzhütte, dann eine Werkstätte und dann haben wir sie total entkernt und sie wurde zu einem Brennhaus gemacht. Wir haben sehr viel Zeit hineingesteckt und da das Brennen so interessant ist, wollten sich viele Freunde mit einbringen und packten mit an. Der erste Schnaps den wir produzierten war zu scharf und hatte keinen Geschmack. Am ersten Tag war noch einer vom Zoll dabei, der uns Tipps gab. Danach mussten wir uns einfach durchprobieren, aber der Geschmack wurde immer besser. Wir haben uns gleich am Anfang auf regionalen Märkten mit unserer kleinen Schaubrennerei präsentiert und bekannt gemacht. Durch diesen Verkaufsweg lernen wir immer weitere neue Interessenten an unseren Produkten kennen und wir sind bis jetzt ganz gut ohne zusätzliche Werbung ausgekommen.
Wieviel dürft ihr im Jahr brennen?
G: Wir haben ein 50 Liter Brennrecht.
Wieviel braucht man an Obst dafür?
G: Eine ganze Menge... aus 150 Liter Maische geht zwei Liter Alkohol raus.
Wie lange habt ihr gebraucht um den Geschmack zu bekommen, den ihr heute habt?
M: Das ist bei einigen Sorten schnell gegangen, ein Versuch und der Geschmack war genauso wie wir uns den vorgestellt haben, dann gab es aber auch Brände bei denen wir zehn Anläufe brauchten bis wir mit dem Endprodukt zufrieden waren.
Habt ihr irgendwelche Geheimtipps?
G: Der beste Geheimtipp ist das Ausgangsobst, das Brennen selber ist Erfahrung. Da gibt es keinen Geheimtipp. Man muss ein bisschen auf den Ablauf schauen.
Wie sieht eure Produktpalette aus?
M: Unsere Produktpalette besteht momentan aus 20 Sorten, die direkt im Verkauf sind. Sie sind aufgeteilt in 5 oder 6 Edelbränden, wie Mirabellen- oder Apfelbrand. Dann haben wir ein paar Geiste, und dann besitzen wir einen großen Teil Liköre, ganz vorne der Blutwurz oder der Bluadige Damerl. Das spezielle an den Likören sind auch die Namen, die sehr geschichtsträchtig sind. Auch wichtig ist der gesundheitliche Aspekt. Es gibt keine Brände oder Liköre die keine gesundheitliche Wirkung haben. Zu den 20 Sorten kommen jedes Jahr noch bis zu 10 limitierte, saisonelle Kreationen hinzu je nach dem was wir an Obst bekommen versuchen wir was interessantes daraus zu machen, letztes Jahr war einer davon der Waiderer ein Likör aus Brennnessel und Samen.
Inwiefern unterscheidet sich der Geist vom Edelbrand und vom Likör?
M: Edelbrände werden aus vergorener Maische gebrannt. Äpfel, Mirabellen und Zwetschgen sind typische Edelbrände. Beim Geist wird der Geschmack aus Beeren oder Gewürzen geholt und auf einen Alkohol draufgebrannt, hierzu sagt man auch Feinbrand. Ein Hauptmerkmal beim Likör ist, dass immer Zucker mit dabei ist. Grundsätzlich kann man aus fast allem einen Likör zubereiten: Beeren, Kräuter, Gewürzen, Wurzeln und sogar aus Gemüse.
Woher bekommt ihr das Obst?
M: Wir bekommen viel Obst von Freunden und Bekannten. Jeder der Obst übrig hat darf sich bei uns melden, wir machen dann einen Tausch und geben ihnen als Dank Schnaps dafür.
Du meintest auch, Schnäpse hätten eine gesundheitliche Wirkung?
G: Alle Produkte die handwerklich, ehrlich und regional produziert werden helfen. Wissenschaftlich belegt ist die Wirkung jedes einzelnen Schnapses natürlich nicht. Aber wenn man sich mit der alten Hausmedizin auseinandersetzt kann man feststellen, dass früher schon viel Wert auf die Wirkstoffe von verschiedenen Gewürzen und Beeren gelegt wurde. Die Blutwurz zum Beispiel wird eingesetzt um Bakterien abzutöten, oder durch ihre schweißtreibende Wirkung eine Erkältung zu stillen. Außerdem schwören einige auf die aphrodisierende Wirkung der Blutwurz. Der Holunder ist wiederum krampflösend, er löst innere körperliche und seelische Blockaden. Natürlich muss man auch ein bisschen an die Wirkung glauben.
Könnt ihr davon leben?
M: Natürlich verdienen wir etwas. Und sind ganz zufrieden wie es im Moment läuft. Um direkt davon zu leben müssten wir einiges umstellen und automatisieren, eventuell wären damit Qualitätseinbußen verbunden, was wir natürlich nicht wollen. Im Moment ist es ein schönes Hobby - mal sehen was die Zukunft bringt.
Wieviel Zeit verbringt ihr mit dem Schnapsbrennen?
M: Mittlerweile haben wir 7 Läden, 3 Hotels und 2 Bars die uns unseren Schnaps abnehmen. Und ja der Herbst ist sehr zeitintensiv, da in dieser Zeit die Obsternte, das Einmischen und viele Märkte stattfinden. Wir achten aber immer darauf, dass wir Spaß daran nicht verlieren, denn das schmeckt man auch, wenn der Spaß nicht mehr dabei ist. Zum Glück steht bei uns das Finanzielle nicht im Vordergrund.
Habt ihr Ziele?
G: Ziele braucht man immer im Leben. Unser oberstes Ziel ist es, dass der besten Schnaps aus dem Bayerischen Wald von der Woidbrennerei kommen soll. Wir haben also ein sehr hochgestecktes Ziel, aber wir glauben fest daran es zu erreichen. Wir werden den richtigen Weg schon gehen.
Mögt ihr euren Schnaps?
M: Wenn wir nicht voll dahinterstehen und uns damit identifizieren, dann kann man ihn nicht gut machen und vermarkten. Mein Lieblingsschnaps ist im Moment der Zwetschgenbrand. Bei den Likören steht der Walnusslikör auf meiner Favoritenliste.
Wie kamt ihr auf den Namen der Schnäpse?
M: Meistens entstehen die Namen zuerst. Und dann suchen wir den Schnaps aus, der dazu passt. Das ergibt sich aus gemütlichen langen Abenden und dann kommen aus dem Nichts die Namen. Der Bluadige Damerl gefällt mir ganz gut. Der ist 2009 ins Leben gerufen worden. Der Bluadige Damerl ist ein Rauhnachtgeist und kommt nicht wie oft vermutet vom blutigen Finger sondern wird vom Thomastag am 21. Dezember abgeleitet. An diesem Tag geht man alljährlich mit Weihrauch durch die Zimmer um alles Schlechte was sich übers Jahr angesammelt hat auszuräuchern. Da darf der Bluadige Damerl natürlich nicht fehlen. Der wird dann in jedem Zimmer getrunken, und befreit zugleich den Körper von allem Unnötigen was einem auf der Seele liegt.
Papi und Sohn arbeiten zusammen - funktioniert das?
G: Meistens, da jeder sein Aufgabengebiet hat.
M: Papa ist hauptsächlich für die Produktion zuständig und ich eher für den Vertrieb.
G: Jeder weiß was er zu tun hat bei uns und falls nicht, dann diskutieren wir das aus. Auch finde ich es gut, dass es die Jungen gibt die haben neue Ideen und machen dann die Sachen die ich nicht kann.
Interview & Fotos: Evi Lemberger